Das Freiwilligendilemma
Eine sehr bekannte Aussage aus der Spieltheorie ist, dass es unwahrscheinlicher ist, dass freiwillig geholfen wird, wenn mehrere Zuschauer beteiligt sind.
Stell dir vor, du gehst durch die Straße und entdeckst, dass ein Haus brennt. Wenn du allein auf der Straße bist, dann rufst du natürlich gleich die Feuerwehr. Das „Problem“ entsteht jedoch, wenn du nicht allein bist. Sicherlich hat schon jemand anderes die Feuerwehr oder Polizei gerufen. Wenn du anrufst, wirst du vermutlich nur ein Zeuge und musst ewig mit der Polizei quatschen. Natürlich willst du, dass die Feuerwehr kommt, aber wenn es geht, würdest du nicht derjenige sein, der sie ruft. Was sollst du tun?
In der Praxis zeigt sich, dass, wenn mehr Leute etwas beobachten, die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei angerufen wird, sinkt. Das ist so verwunderlich, dass sehr viele Psychologen sehr viele unterschiedliche Studien und Vermutungen zu dem Thema aufgestellt haben.
Wir können versuchen, das Problem aber auch rein spieltheoretisch zu erklären.
Ein spieltheoretisches Beispiel
Wenn wir die Feuerwehr rufen, entsteht ein kleiner Faktor, der uns unglücklich macht, dem teilen wir einen den Nutzen von zu. Wenn wir nichts tun und geholfen wird, bleiben wir normal (Wert ). Wenn wir nichts tun und die Feuerwehr nicht kommt, sind wir furchtbar unglücklich, dem ordnen wir den Wert zu. Weil wir Spieltheoretiker sind, vereinfachen wir, dass die Stärke der Gefühle (die Werte) für jede Person gleich stark ist und jede Person ausschließlich ihr eigenes Glück (Wert) maximieren will.
In einer Tabelle sähe das so aus:
geholfen | nicht geholfen | |
---|---|---|
angerufen | nicht möglich | |
nicht angerufen |
Jetzt möchte jeder Spieler sein Glück maximieren. Wenn wir nur einen Spieler haben, ist es klar: Er ruft die Feuerwehr. Dann ist er bei , aber wenn er sie nicht gerufen hätte, kann nicht geholfen werden und er wird unglücklich (sein Nutzen ist ).
Bei einem Spieler/Beobachter wird also immer die Feuerwehr gerufen.
Betrachten wir zunächst zwei Spieler
Bei zwei Spielern gibt es offensichtlich kein Gleichgewicht in reinen Strategien. Wenn beide die Feuerwehr rufen, hätte jeder lieber nicht die Feuerwehr gerufen, da die ja eh gekommen wäre. Wenn beide, nicht die Feuerwehr rufen, hätten wiederum beide gerne die Feuerwehr gerufen.
Es jedoch ein Gleichgewicht in gemischten Strategien, bei der jeder mit einer Wahrscheinlichkeit die Feuerwehr ruft.
Die Wahrscheinlichkeit von Spieler 1 muss so gewählt sein, dass es für Spieler 2 egal ist, welche Strategie er benutzt. In anderen Worten, der erwartete Nutzen beider Strategien ( und ) muss gleich sein.
Der erwartete Nutzen von ist ganz gleich was Spieler 1 macht. Der erwartete Nutzen von ist jedoch stark von dem abhängig, was Spieler 1 macht. Ruft er die Feuerwehr, haben wir einen Nutzen von . Ruft er nicht die Feuerwehr, haben wir einen Nutzen von . Ruft er mit einer Wahrscheinlichkeit die Feuerwehr, haben wir einen Nutzen von:
Für ein Gleichgewicht muss Spieler 1 und sein p so wählen, dass der erwartete Nutzen (von Spieler 2) unabhängig von der Strategie ist.
Wenn beide Spieler mit einer Wahrscheinlichkeit von die Feuerwehr rufen, haben wir ein Gleichgewicht in gemischten Strategien.
Da jeder Teilnehmer mit einer Wahrscheinlichkeit von nicht die Feuerwehr ruft, ist die Wahrscheinlichkeit, dass keiner von beiden die Feuerwehr ruft, nicht mehr , sondern
Was passiert wenn mehr Leute zuschauen?
Bei N gleichen Spielern, die alle in einem gemischten Gleichgewicht sind, muss es für jeden einzelnen Spieler egal sein, was er macht. Wenn der erwartete Nutzen einer reinen Strategie höher wäre, würde der Spieler die Strategie mit höherem erwarteten Nutzen spielen und von der gemischten Strategie abweichen.
Wie zuvor ist der erwartete Nutzen von unabhängig von dem, was die anderen Spieler machen. Der erwartete Nutzen von ist jedoch stark von dem abhängig was die anderen Spieler machen, ruft mindestens einer die Feuerwehr, haben wir einen Nutzen von ruft niemand die Feuerwehr, einen Nutzen von .
Ein Beobachter ruft mit einer Wahrscheinlichkeit die Feuerwehr, also mit einer Wahrscheinlichkeit von nicht. Es gibt insgesamt andere Beobachter, alle die unabhängig voneinander agieren. Dementsprechend kann man die Wahrscheinlichkeit, dass die Feuerwehr nicht von den anderen nicht gerufen wird, mit berechnen.
Der Nutzen von „nicht anrufen“ ist also 0, wenn jemand anruft und mit einer Wahrscheinlichkeit von ist er . Der erwartete Nutzen ist daher:
Jetzt haben sich alle anderen Spieler ihr so gewählt, dass ein Gleichgewicht entsteht:
Jetzt ist es für den N-ten Spieler egal welche Strategie er wählt. Also wählt er wie alle die Strategie, mit einer Wahrscheinlichkeit von die Feuerwehr zu rufen.
ist vermutlich keine Funktion, die man sich so gut vorstellen kann, aber man kann sich versichern, dass die Funktion für größere N sinkt.
Hier ein Plot von der Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler von sich aus hilft (-Achse) für unterschiedliche Spieler-Anzahlen (-Achse)

Dass es unwahrscheinlicher wird, dass ein spezieller Beobachter anruft, wenn mehrere Leute zuschauen, ist zu erwarten, da jetzt jeder Beobachter damit rechnet, dass ein anderer auch die Feuerwehr rufen könnte.
Ein interessantes Ergebnis erhalten wir, wenn wir ausrechnen, wie wahrscheinlich es ist, dass insgesamt die Feuerwehr kommt.
Ein Beobachter ruft mit einer Wahrscheinlichkeit die Feuerwehr, also mit einer Wahrscheinlichkeit von nicht. Es gibt insgesamt Beobachter, alle die unabhängig voneinander agieren.
Dementsprechend kann man die Wahrscheinlichkeit, dass die Feuerwehr nicht gerufen wird, mit berechnen.